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Winter ohne Schnee? Impulse für die touristische Produktentwicklung

Innovation, Klimawandel, Wintertourismus

Anna Scheffold23. Aug 2024

Der Winter ist traditionell die Hochsaison für viele Tourismusregionen. Skifahren, Snowboarden und andere Schneeaktivitäten ziehen jedes Jahr Millionen von Gästen in die Berge. Seien es nun die Skiferien in den Alpen oder Tagesausflüge in die deutschen Mittelgebirge.

Die Klimaveränderungen machen sich allerdings bereits immer deutlicher bemerkbar: Mildere Winter und Schneemangel stellen eine wachsende Herausforderung dar. Für Tourismusprofis bedeutet dies, dass altbewährte Konzepte hinterfragt werden dürfen.

Daraus ergeben sich folgende Fragen: Wie kann man einen attraktiven Wintertourismus gestalten, wenn der Schneefall weniger verlässlich wird? Welche alternativen Angebote können entwickelt werden, um auch ohne die weiße Pracht Gäste anzuziehen?

In diesem Blogartikel wollen wir dir zeigen, wie man Produktentwicklung rund um das Themenfeld auch anders denken kann.

 

Was sich ändert – und was bleibt

Was sich ändert.

Dass sich das Klima ändert, ist eine feststehende Sache. Wir wollen hier gar nicht über die Details sprechen, ob und wie viel Schnee fällt. Sondern lediglich betonen, dass das Wetter eben nicht mehr so verlässlich ist, wie noch vor Jahrzehnten.

Damit ändern sich die Ausgangsvoraussetzungen für Produkte und ein Kernbestandteil vieler Winterangebote bekommt ein dickes Fragezeichen. 

Glitzernde Schneelandschaften? Nicht mehr selbstverständlich.

 

Was bleibt.

Ein spannender Ansatz für die Produktentwicklung ist der Fokus auf die Frage „Was bleibt?”. Und sich dann darauf zu konzentrieren. 

Was bleibt also? Zuallererst natürlich die Tages- und Nachtzeiten. Winter bedeutet nach wie vor, dass die Tage kürzer sind und die Nächte länger.

Was außerdem bleibt (zumindest auf absehbare Zeit) sind Ferienzeiten und Gewohnheiten und Traditionen rund um die dunkle Jahreszeit. 

Wir dürfen zudem davon ausgehen, dass für die meisten Menschen der Winterurlaub vorerst eher nicht die Hauptreise des Jahres sein wird, wenn sie im DACH-Raum stattfindet. Falls die Winterzeit doch der Haupturlaub ist, wählen viele Menschen immer noch eher Ziele wie die Kanaren oder fliegen gleich auf die Malediven oder nach Bali.

Allein aus diesen beiden Aspekten lässt sich total viel machen, wie du gleich sehen wirst!

Rein in die Produktentwicklung für alternative Wintererlebnisse

Bei Realizing Progress denken wir Produkte immer als verbindendes Element zwischen dem „Innen”, also dem Markenkern und dem „Außen”, also Aspekten der Kommunikation und Zielgruppen.

Das ist im Ringmodell, unserem Modell für strategische Prozesse, übersichtlich zusammengestellt. 

Realizing Progress - Ringmodell 2022
Ganzheitlich entwickeln: Das Realizing Progress Ringmodell unterstützt dabei.

 

Du wirst gleich sehen, warum diese integrierte Betrachtung so wichtig ist. Wir zeigen dir jetzt drei Ansätze, wie du in die Produktentwicklung einsteigen kannst. 

 

Ansatz 1: Themen und Motive des Winters neu interpretieren

Was macht den Winter aus? Spontan denkst du vielleicht an Dunkelheit, Einsamkeit, Nebel und Kälte. Der Winter (insbesondere der Januar) ist aber auch die Zeit der Reflektion, der Erneuerung, der Wiedergeburt

Hieraus lassen sich viele Potenziale ableiten, die ganz unabhängig vom Schnee sind.

Beispiele sind dafür z. B. 

  • Dunkelheit als positives Element. Es gibt viele Traditionen und Erlebnisse, die durch die Dunkelheit erst ihre Magie entfalten: Johannifeuer, Feuerwerk zu Silvester oder Fackelwanderungen sind nicht trotz, sondern wegen der Dunkelheit so einzigartig.
    Dunkelheit als Angebotsbaustein im Winter setzt das also positiv um. Wie wär es damit, endlich mal wieder Sterne zu sehen und trotzdem früh schlafen zu gehen? Der Sternenpark Rhön macht’s vor – aber vielleicht gibt es ja auch in deiner Region nachts tolle Ausblicke? 
  • Langschläferurlaub statt Fomo. Wenn es nicht lange hell ist, verpasst man auch weniger. Frühstück von 8-11 Uhr, Empfehlungen für Spaziergänge, um 15 Uhr wieder Tee und Kuchen im lokalen Café oder Hotel. Und dann ab in die Leseecke, die am besten skandinavische Wärme ausstrahlt mit guter Beleuchtung und warmer Einrichtung in der Unterkunft inklusive Decken zum Einkuscheln.
  • Zeit der Erneuerung, z. B. mit Hike & Yoga im Winter oder Coaching-Angeboten mit viel Innenschau, Meditation und Kraft schöpfen für das neue Jahr. Hier können Angebote spezifisch auf Solo-Reisende ausgerichtet werden und damit das Motiv Einsamkeit bearbeiten. 

Und, fühlt sich alles gar nicht so kalt, grau und einsam an oder?

Ansatz 2: Blick auf die Sinus-Milieus® 

Die Sinus-Milieus® sind nicht umsonst der Goldstandard der Zielgruppen-Segmentierung. Denn die Daten bieten immer wieder neue Inspiration für die Entwicklung von Angeboten. Jedes Milieu ist durch bestimmte Motivatoren, Werte und Gewohnheiten geprägt – hieraus lassen sich spezifische Erlebnisse kuratieren. 

Für wen passt welches Angebot? Die Sinus-Milieus® helfen, dass richtige Angebot zu entwickeln.

Einige Beispiele gefällig? 

  • Eines der Leitmotive des Konservativ-gehobenen Milieus ist „Das haben wir uns verdient”. Hier stehen also exklusive Erlebnisse mit Anspruch im Vordergrund. Das kann der Städteaufenthalt mit Oper und feinem Essen sein oder der Aufenthalt im gehobenen Wellness-Hotel, wo man nach einem Spaziergang die Sauna und das Bad im nebelumwobenen See genießt.
  • Das Milieu der Performer lebt nach dem Motto „Immer einen Schritt voraus”. Für sie eignen sich Angebote wie Workation oder hochwertige Fortbildungsangebote (“Start your year right”), die ihre Macher-Mentalität ansprechen. Gerne auch mit einem Eisbaden-Seminar. 
  • Das Milieu der Expeditiven ist getrieben von Selbstbestimmung und Selbstentfaltung und auch der Selbstdarstellung. Sie sind eine gute Zielgruppe für Yoga & Hike oder Workation-Angebote. Hier dürfen auch „unbequeme” aber dafür intensive Naturerlebnisse dazukommen, die eben noch nicht jede*r gemacht hat. Auch passend:  andere interessante Menschen treffen bei einem Spieleabend mit #DryJanuary-Cocktails. 

Wie du feststellst, haben wir hier drei Milieus mit hoher sozialer Lage und eher hohem Einkommen ausgesucht. In diesen Zielgruppen liegt das größte Potenzial, weil sie sich eben den zweiten und dritten Urlaub leisten können.

Daraus entsteht aber auch eine Herausforderung. Denn wer mal eben spontan ins Wellness-Hotel kann, fliegt vielleicht stattdessen auch nach Mallorca, auf die Kanaren oder nach Bali.

Welches Milieu adressierst du? Und welche Ableitungen lassen sich aus dem Leitmotiv finden?

 

Ansatz 3: Blick auf Potenziale aus dem „Innen”

Bei diesem Punkt schauen wir darauf, welche Gegebenheiten schon da sind. 

Starten wir mit der Infrastruktur. Bei „Winter ohne Schnee” denkt man vielleicht zuerst an die Umnutzung von Skianlagen – was sicherlich ein wichtiger Punkt ist. 

Potenziale liegen hier im Wandern oder MTB. Je besser die Servicekette bearbeitet wird, desto höher die Erfolgschance. Es geht eben nicht nur um Wege und Trails. Wer dreckig vom Hang kommt, will das Rad sauber machen und sich umziehen, bevor es nach Hause geht. Entsprechende Angebote für Tagesgäste oder eine „Schmutzschleuse” in der Unterkunft und eine Waschmaschine für dreckige Sportkleidung müssen also von Anfang an mitgedacht werden.

Von A bis Z eine runde Sache: Guter Service macht zu jeder Jahreszeit den Unterschied.

 

Es gibt aber noch mehr im „Innen” – hier geht es um die Frage, was deine Region ausmacht. Welche Traditionen gibt es? Welche alten Bräuche können neu belebt werden? Welche gut laufenden Angebote von Sommer und Herbst können vielleicht mit einem Twist in den Winter übertragen werden? 

Gerade ländliche Regionen können hier beispielsweise die Verbindung zur bäuerlichen Tradition aufgreifen, wo die dunkle Zeit häufig als Zeit des Handwerks genutzt wurde. Denken wir also an Angebote, die handwerkliches Lernen in den Vordergrund stellen. Das können Kochkurse, Töpfern oder auch berufliche Qualitäten sein. Stichwort Bildungsurlaub.

 

Selbst aktiv werden! 

Wir haben dir hier drei Ansätze aufgezeigt, die du direkt kopieren und auf deine Situation ummünzen kannst. Wie du vielleicht gesehen hast, kommt das Thema Schnee da nur am Rande vor. Und falls es doch mal schneit? Dann funktionieren diese Angebote immer noch und sind vielleicht noch ein bisschen magischer.

Los geht’s!

 

Egal ob du in einer DMO, bei einem Hotel oder einem Freizeitanbieter arbeitest: diese Ansätze unterstützen dich, neue Wege zu gehen und Inspiration für die Produktentwicklung zu finden. 

Wichtig für die Umsetzung: Finde geeignete Mitstreiter*innen. Das reicht von Gästeführer*innen und Yogaschulen über Töpferkurs-Anbietende bis hin zum lokalen Fachhandel für Outdoor-Bekleidung oder Vereinen. 

Und nun: viel Spaß beim Entwickeln! Wir freuen uns auf viele frische Angebote! 

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Anna Scheffold Beratung | Strategie | Experience Design

Als Begleiterin für Strategie, Nachhaltigkeit und Experience Design helfe ich dir, Produkte und Services zu schaffen, die deine Kund*innen lieben und dich zukunftsfähig aufstellen. Mit viel Kreativität und Macherinnen-Mentalität. Gemeinsam erarbeiten wir, wo der Schuh drückt und welche Chancen sich daraus ergeben. Anschließend entwickeln wir Strategien sowie Produkte und Services, die eine ganzheitliche Erfahrung herstellen. Ich begleite dich dabei vom großen strategischen Blick und – wenn du magst – bis in die Umsetzung der Maßnahmen, die sich daraus ergeben. Methodisch übersetzt heißt das: Design Thinking und Lean Startup in Reinkultur. Natürlich immer auf Basis unseres Ringmodells.

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